16. Dezember 2021

„Der Entschluss zu helfen reifte früh“

bauelemente bau im Gespräch mit Jens Johanni und Marco (Toni) Sailer

Marco Sailer (l.) und Jens Johanni (r.) bei der Übergabe eines Spendenschecks. Foto: Jens Johanni

Noch immer haben die Menschen und Unternehmen insbesondere in der Region rund um das Ahrtal – wie auch in vielen anderen Gebieten in Deutschland und Mitteleuropa – mit den verheerenden Auswirkungen der Überschwemmungs- und Flutkatastrophe zu kämpfen, welche sich Mitte Juli 2021 ereignet hat. Um die Personen in der am heftigsten betroffenen Region zu unterstützen, haben sich Jens Johanni, Mitarbeiter der Fa. Horst Klaes GmbH & Co. KG, und Marco (Toni) Sailer, ehemaliger Fußball-Profi des SV Darmstadt 98 von der Fa. Sailer Consulting und hk2 GmbH, dazu entschlossen, selbst aktiv zu werden. Sie gründeten zusammen mit dem Bürgerverein Ahrbrück e.V. die Initiative „Fußball-Familie hilft Flutopfern“. Mit beiden sprachen wir detaillierter über die Hintergründe und Ziele der Initiative.

Herr Johanni, Herr Sailer, was hat Sie dazu bewogen, sich für die Flutopfer speziell in der Region des Ahrtales einzusetzen?

Jens Johanni: Mein Arbeitgeber Klaes, der mit seinem Hauptsitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler ansässig und selber von den Ereignissen massiv betroffen gewesen ist, hat ziemlich zügig eine ähnliche Aktion für die Mitarbeiter gestartet. Ich selber wohne in der Nähe von Darmstadt und war ebenfalls relativ zügig vor Ort, um dort bei den Aufräumarbeiten zu helfen und den betroffenen Kollegen dringend benötigte Sachen mitzubringen. Dadurch wurde mir sehr schnell das ganze Ausmaß der Katastrophe in der Region vor Augen geführt. Der Entschluss, selber aktiv zu werden und den Menschen dort zu helfen, reifte also schon recht früh. Toni und ich kennen uns, da ich ab und zu Kunden zu Heimspielen des SV Darmstadt 98 einlade.

Marco Sailer: Jens hat mich angerufen und mir die Situation vor Ort geschildert. Auch für mich war schnell klar, dass ich mich einbringen möchte und dafür meine Kontakte im Umfeld des Vereins nutzen zu wollen. Fußball verbindet, und dadurch ist bei uns die Hoffnung gewachsen, möglichst viele Menschen zu erreichen. Durch den SV Darmstadt 98 erhoffen wir uns ebenfalls, dass eventuell auch andere Vereine auf die Aktion aufmerksam werden.

Es gibt von großen Organisationen Spendenprogramme, die sich ebenfalls um die Belange der Flutopfer kümmern. Worin unterscheidet sich Ihre Initiative von diesen im Wesentlichen und was ist die Philosophie dahinter?

Marco Sailer: Ganz generell wollen wir kleinere Unternehmen dabei unterstützen, ihre Infrastruktur wieder aufbauen zu können. Dabei haben wir uns auf den Bereich Handwerk fokussiert. Viele Unternehmen haben alles verloren und würden ohne fremde Hilfe vor dem Aus stehen. Unser Gedanke ist daher, diesen Unternehmen Hilfe zur Selbsthilfe zur Verfügung zu stellen und Grundvoraussetzungen zu schaffen, damit unter den jetzigen Gegebenheiten und Umständen ein selbstständiger Arbeitsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Auf dem Spendenkonto sammeln wir zunächst einen bestimmten Betrag, den wir gerecht aufteilen und gezielt mehreren Unternehmen zur Verfügung stellen.

Viele begegnen solchen Aktionen ja immer mit einer gewissen Skepsis. Gehen die Spenden zu 100 Prozent an die dafür vorgesehenen Zwecke?

Jens Johanni: Alles, was wir einnehmen geben wir 1:1 und zu 100 Prozent weiter. Wir stehen beide für Ehrlichkeit und haben ja auch einen dementsprechenden Ruf zu verlieren. Auch deshalb haben wir uns mit dem Bürgerverein Ahrbrück e.V. zusammen getan, der gleichzeitig Kontoinhaber ist. Zugriff auf das Konto haben weder Toni noch ich; über den Kontostand sind wir aber natürlich im Bilde. 80 Prozent der Spenden gehen an Handwerksbetriebe im Ahrtal, die wir beide persönlich übergeben. Wir bezahlen unsere Verpflegung und die Übernachtungsmöglichkeiten, wenn wir vor Ort sind, aus eigener Tasche. Für diese Zwecke werden die Spendengelder nicht angerührt. Die restlichen 20 Prozent behält der Bürgerverein, um damit die Infrastruktur der Stadt wieder aufzubauen beziehungsweise instand zu setzen. So wurden beispielsweise kürzlich Straßenlaternen in Ahrbrück provisorisch eingerichtet.

Sie waren Ende November 2021 bereits vor Ort und konnten sich ein Bild von der Lage im Katastrophengebiet machen. Könnten Sie uns bitte kurz Ihre Eindrücke schildern?

Marco Sailer: Ich selber war drei Monate nach der Flutkatastrophe zum ersten Mal vor Ort, das war ein erschreckendes und bleibendes Erlebnis. Die menschlichen Schicksale sind unvorstellbar und durch keine Spende zu reparieren. Auf der anderen Seite stehen die Verluste von Eigentum, materiellen Dingen und Struktur. Viele Häuser und Gebäude sind noch nicht wieder aufgebaut. Teilweise konnte die so dringend benötigte Infrastruktur bis heute nur unzureichend repariert werden. Von wichtigen Straßen, die in das Katastrophengebiet führen oder die Ortschaften miteinander verbinden, fehlen immer noch ganze Teilstücke, da diese durch die starken Kräfte des Wassers einfach weggespült wurden.

Jens Johanni: Ein weiteres Beispiel dafür ist die wie schon erwähnte Straßenbeleuchtung in Ahrbrück, welche die Stadt in Eigenregie aufgestellt hat. Generell sind die Eigeninitiative und die gegenseitige Unterstützung der Menschen dort bemerkenswert.

Marco Sailer: Man muss sich die Situation wie ein tägliches Déjà-Vu vorstellen. Die psychische Belastung der dortigen Bevölkerung ist immens, ist deswegen für uns aber auch Motivation, weiter Spenden zu sammeln.

Einen Teil der gesammelten Spenden konnten Sie dabei bereits übergeben, darunter auch an eine Fenster- und Metallbau-Schlosserei aus Ahrbrück. Wozu im Detail wurden die Spenden in diesem Beispiel verwendet?

Jens Johanni: Das Geld wurde hauptsächlich eingesetzt, um die benötigten Werkzeuge für ein sinnvolles Weiterführen der Produktion bereitzustellen. Darüber hinaus konnte ein größeres Rolltor vor der Produktion installiert werden. Davor war die Produktion offen und für jedermann von der Straße aus zugänglich.

Was müssen Betroffene tun, damit Sie auf diese aufmerksam werden und helfen können?

Marco Sailer: Die Handwerksbetriebe können sich über unsere Homepage www.fussballhilftflutopfern.de und den dort hinterlegten Kontaktdaten bei uns melden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme über unsere Social-Media-Kanäle auf Facebook und Instagram. Wir werden aber auch selber durch die Menschen in der Region auf Unternehmen aufmerksam gemacht, die unsere Hilfe benötigen. Das passiert zum einen durch die Arbeitskollegen von Jens, die in der Region verwurzelt sind und einen guten Einblick haben; oder aber auch durch den Bürgermeister von Ahrbrück, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten.

Jens Johanni: Im zweiten Schritt telefonieren wir mit den betroffenen Betrieben. In diesen Gesprächen klären wir ab, inwieweit dieses Unternehmen betroffen und wie es versichert ist. Dann fahren wir selbst vor Ort, machen uns ein Bild und bauen so eine persönliche Beziehung auf. Diese ist uns in unserem Tun sehr wichtig, da in solchen Angelegenheiten sehr viel auf Vertrauen basiert. Schlussendlich haben wir ja auch eine Verpflichtung gegenüber unseren Spendern, dass die Gelder möglichst effektiv und bei den richtigen Betrieben zum Einsatz kommen.

Welche Ziele haben Sie sich mit der Initiative „Fußball-Familie hilft Flutopfern“ gesetzt? Gibt es sogenannte „Meilensteine“?

Jens Johanni: Wir wollen in jedem Fall weitermachen; die Initiative soll keine einmalige Aktion bleiben. In der Region wird über Jahre hinweg an den unterschiedlichsten Stellen noch Arbeit zum Wiederaufbau geleistet werden müssen; die Dringlichkeit zur Unterstützung ist weiterhin gegeben. Meilensteine haben wir uns aber nicht gesetzt. Wir sammeln Spenden, bis wir einen Betrag zusammen haben, mit welchem wir gleichermaßen mehrere Betriebe sinnvoll unterstützen können.

Stellen Sie für die Spender auch Spendenbescheinigungen aus?

Jens Johanni: Ja, natürlich. Es gibt drei Möglichkeiten. Entweder man schreibt das Wort „Spendenbescheinigung“ mit in das Betreff der Überweisung oder schickt eine E-Mail mit der Bitte um eine Spendenbescheinigung an fussballhilftflutopfern@outlook.de. Den Kontakt gibt es auch per Mausklick auf unserer Homepage. Bei Spenden unter 200 Euro benötigt das Finanzamt darüber hinaus nicht zwingend eine Spendenbescheinigung. Es genügt, wenn man eine Buchungsbestätigung seiner Bank als Nachweis zusammen mit seiner Steuererklärung beim Finanzamt einreicht. Darauf müssen folgende Informationen enthalten sein: Name und Kontonummer von Empfänger und Spender, der Spendenbetrag sowie der Buchungstag, der Spendenzweck und die Angabe, ob es sich um eine Spende oder um einen Mitgliedsbeitrag handelt.

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie haben Sie generell die Bereitschaft zum Spenden wahrgenommen?

Marco Sailer: Das Wort „zäh“ beschreibt es wohl am besten, ohne dies in irgendeiner Weise böswillig meinen zu wollen. Wir stehen mit unserer privaten Initiative noch am Anfang und haben nicht die große Bühne – wie beispielsweise Spendenmarathons auf nationalen Fernsehsendern – wie sie andere Organisationen nutzen können.

Welche Kanäle nutzen Sie, um auf Ihre Initiative aufmerksam zu machen?

Jens Johanni: Wir kommunizieren hauptsächlich über unsere Homepage, unsere Social-Media-Kanäle, das Netzwerk rund um den SV Darmstadt 98 sowie über Berichte in regionalen Zeitungen.

Marco Sailer: Wenn wir vorankommen wollen, wäre die überregionale Bekanntheit wichtig. Wir konnten beispielsweise beim letzten Auswärtsspiel der Darmstädter den kompletten Trikotsatz versteigern. Durch diese Aktion ist noch mal eine beachtliche Summe zusammengekommen, die uns einen weiteren Schub gegeben hat. Im nächsten Schritt versuchen wir, auch andere Vereine zu mobilisieren, sich mit ähnlichen Aktionen ebenfalls für den guten Zweck zu beteiligen.

Jens Johanni, Marco Sailer: Wir hoffen natürlich auch, dass die Leser der bauelemente bau durch dieses Interview bereit sind, betroffene Handwerksbetriebe mit unserer Aktion gemeinsam mit Spenden zu unterstützen.

Herr Johanni, Herr Sailer, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre Initiative weiterhin viel Erfolg!

 

Hinweis Spendenkonto

Wenn Sie die Initiative unterstützen und spenden wollen, finden Sie hier die dafür notwendigen Infos:

 

Inhaber: Bürgerverein Ahrbrück e.V.

Kreissparkasse Ahrweiler

IBAN: DE90 5775 1310 1000 5639 06

Verwendungszweck: Flutopfer

 

Auf die Homepage der Initiative „Fußball-Familie hilft Flutopfern“ geht es hier entlang.

 

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