28. Mai 2025

Ohne Bestand keine Zukunft

bb-Nachbericht: 10. Next Expertenforum

V.l: Sebastian Schuster, Thomas Blacher, Alexander Dill, Jan Kertscher, Hans-Georg Schmitt, Stephanie Brendel und Christian Mettlach. Foto: Wicona / Mediashots

Schon heute sind 80 Prozent der Gebäude, die 2050 noch genutzt werden, längst gebaut. Was das bedeutet? Der Spielraum für klimaneutrales Bauen liegt zum Großteil im Bestand – mit dem Neubau alleine sind die ambitionierten Klimaziele nicht zu erreichen. Vor diesem Hintergrund widmete sich das 10. Next Expertenforum am 22. Mai 2025 im Frankfurter Next Studio ganz der Frage: Wie gelingt nachhaltige Transformation im Bestand – technisch, wirtschaftlich und architektonisch?

In seinen einleitenden Worten wies Moderator Christian Mettlach (Next Studio Manager bei Wicona) auf eine echte Premiere beim 10. Next Expertenforum hin: Erstmals berichteten Referenten aus allen relevanten Perspektiven – von Bauherrenschaft über Planung und Architektur bis hin zum Fassadenbau – über ihre konkreten Projekte und zukunftsweisende Konzepte für die Weiterentwicklung des Gebäudebestands.

Den Start machte Jan Kertscher, Associate Director/Property Business Leader bei Arup, mit der provokanten These „Repositionierte Gebäude sind die besseren Neubauten“. Repositionierungen bieten Vorteile beim Baurecht, befinden sich oft innerstädtische Top-Lagen, sind Teil der gebauten Identität und erheblich klimaschonender. Kertscher: „70 Prozent der Büroimmobilien in Deutschlands Top-7-Städten drohen bis 2030 zu stranden, also den Anforderungen an Betrieb und Nachhaltigkeit nicht mehr zu genügen. Der Umbau von Bestandsgebäuden kann hier den Unterschied machen – mit bis zu 67 Prozent geringeren CO2-Emissionen im Vergleich zum Neubau.“ Praxisbeispiele wie der Euston Tower in London – hier wurden nach der Entkernung zahlreiche Materialien wiederverwendet – oder die kreative Potenzialstudie zur Revitalisierung des Eurotowers in Frankfurt zeigten eindrucksvoll die Möglichkeiten auf: Statt Abriss und Ersatzneubau dachten die Planer von Arup hier über urbane Umnutzung, Mixed-Use-Konzepte und die Wiederverwendung von Bauteilen nach.

Personenbahnhöfe weiterentwickeln

Bahnhöfe sind mehr als Verkehrsbauwerke – sie sind gebaute Identität, städtische Visitenkarte und logistische Herausforderung zugleich: So lautete das Credo von Stephanie Brendel, Leiterin Planung und Architektur bei DB InfraGo. In ihrem Vortrag machte die Architektin deutlich, wie komplex nachhaltiges Planen und Bauen gerade in diesem Bereich ist. „Wir arbeiten im laufenden Betrieb, mit Denkmalschutz, unter höchsten Sicherheitsstandards – und dennoch mit dem Anspruch, lebenswerte Orte zu schaffen.“ Nicht zuletzt beleuchtete die Referentin die Aktivitäten der Deutschen Bahn beim zirkulären Bauen: Dabei werden zum Beispiel Bauteile wie Brandschutztüren, Bodenfliesen oder Fassadenelemente systematisch auf Wiederverwendung geprüft.

Hebel für Energieeffizienz und Zukunftsfähigkeit

Thomas Blacher, Geschäftsführer des Metallbau-Unternehmens Heidenbauer Aluminium, zeigte am Beispiel dreier ambitionierter Projekte, wie energetische Fassadensanierung zur tragenden Säule nachhaltiger Gebäude-Transformation wird. Beim Bürokomplex Omega Haus in Offenbach wurde ein wirtschaftlich tragfähiges Sanierungskonzept nach dem hohen EGB 55-Standard umgesetzt; unter Einsatz eines gemeinsam mit Wicona entwickelten Sanierungsfensters und konsequenter Materialkreislaufwirtschaft. Ein weiteres Highlight: Bei der Sanierung des Donauzentrums in Wien wurde eine Photovoltaik-Anlage auf die bestehende Stahltragkonstruktion des Daches montiert. So wird sowohl die sommerliche Überhitzung spürbar gesenkt als auch Energie für den Gebäudebetrieb gewonnen.

Konsequentes „Weiterbauen“

Auch die Architekten Sebastian Schuster und Alexander Dill, Partner beim Büro Schmidt Plöcker Architekten, sprachen sich klar für das „Weiterbauen“ als architektonische Kernaufgabe aus. Ihr Ansatz: präzise Analyse, kreative Interpretation und sensible Eingriffe. „Wir sehen Revitalisierung nicht als Sparmaßnahme, sondern als gestalterischen Auftrag“, so Dill. Wichtig sei, bereits in der Leistungsphase 2 (HOAI) mögliche Rückbau- oder Umnutzungsszenarien mitzudenken. Die vorgestellten Projekte reichten von der denkmalgerechten Umnutzung des Crespo-Hauses in Frankfurt über die Transformation der Neckarspinnerei in Wendlingen zum Wohn- und Gewerbestandort bis hin zur Neuinterpretation leerstehender Bürogebäude in Eschborn.

Systemischer Blick aufs Bauen im Bestand

Zum Abschluss zeigte Hans-Georg Schmitt aus seiner Sicht als Technischer Bereichsleiter „Bauen im Bestand“ beim Generalunternehmer Ed. Züblin, wie sich das Thema Revitalisierung systematisch und strukturiert angehen lässt – über alle Leistungsphasen hinweg. Mit dem bei Züblin eigens entwickelten Modell „Bestand Check – Bestand Plan – Bestand Build – Bestand Service“ werden Projekte von der ersten Bestandsaufnahme bis zur langfristigen Nutzung begleitet. Schmidt machte deutlich: „Was wir brauchen, ist Know-how ganz am Anfang – nicht erst auf der Baustelle.“ Gleichzeitig unterstrich der Experte, dass Bauen im Bestand auch wirtschaftlich attraktiv ist – wenn Planung und Ausführung ineinandergreifen.

Ausgiebiges Networking

Nach dem Ende des offiziellen Fachprogramms nutzten die Teilnehmer im Next Studio die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit den Referenten und untereinander.

Auf die Homepage des Next Studios in Frankfurt gelangen Sie über diesen Link.

 

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